Die Homöopathie wird als eine Reiztherapie betrachtet, bei der dem Körper durch die Einnahme bestimmter, stark verdünnter Mittel Anreize gegeben werden, eine Krankheit aus eigener Kraft zu
heilen. Der Begriff "Homöopathie" setzt sich aus den griechischen Worten "homoios" (ähnlich) und "pathos" (Leiden) zusammen. Die Behandlung einer Krankheit erfolgt in der Homöopathie vorwiegend
durch Mittel, die nach dem sogenannten "Ähnlichkeitsprinzip" funktionieren. Man stützt sich auf die Beobachtung, dass eine Substanz, die beim Menschen oder beim Tier bestimmte Beschwerden
verursacht, dieselben (oder ähnliche) Beschwerden auch zu heilen vermag.
Der Organismus eines Kranken bekommt laut Hahnemann durch das Medikament einen Impuls, seine Abwehrkräfte gezielt gegen bestimmte Krankheitssymptome einzusetzen. Auf diesen Erkenntnissen beruht
der Grundsatz der Homöopathie: "Similia similibus curentur" (ähnliches werde durch ähnliches geheilt).
Hahnemann entdeckte in weiteren theoretischen und praktischen Untersuchungen mit Arzneimitteln, dass sich die Wirksamkeit der Substanzen aufgrund ihrer Konzentration verändert. Verdünnte
Arzneimittel zeigten oft eine stärkere Wirkung als die unverdünnte Grundsubstanz. Daraufhin entwickelte er eine spezielle Herstellungs- und Dosierungslehre, das Potenzierungsverfahren und das
Prinzip der kleinsten Gabe.
Bei der Herstellung der homöopathischen Heilmittel geht man nach einem homöopathischen Arzneimittelbuch vor. Die Ausgangssubstanz wird schrittweise in einem bestimmten Verhältnis mit Wasser,
Alkohol oder Milchzucker verdünnt und nach jedem Verdünnungsschritt durch Schütteln oder Verreiben potenziert.
Heute sind in der Homöopathie drei verschiedene Verdünnungsreihen gebräuchlich: D, C und LM. Die D- und C-Reihe unterscheiden sich lediglich im Verdünnungsverhältnis voneinander:
Dabei werden in der D-Reihe ein Teil Vorpotenz (zum Beispiel D1) mit neun Teilen Verdünnungsmittel gemischt und anschliessend mindestens zehnmal kräftig geschüttelt (Flüssigkeiten) oder eine
Stunde lang im Mörser verrieben (Pulver). So entsteht eine D2, die man erneut zehnfach verdünnt und potenziert, um die D3 herzustellen. In der C-Reihe werden ein Teil Vorpotenz (zum Beispiel C1)
mit neunundneunzig Teilen Verdünnungsmittel vermischt und anschliessend potenziert.
Die dritte Potenzierungsreihe, die LM- oder auch Q-Potenz genannt wird, entwickelte Hahnemann in seinen letzten Lebensjahren. LM-Potenzen stellt man nach einem speziellen, sehr aufwendigen
Verfahren her. Jeder Verdünnungsschritt entspricht einem Verhältnis zwischen Ausgangssubstanz und Verdünnungsmittel von 1:50'000.
Je höher die Zahl hinter dem D, C oder LM, desto stärker und länger anhaltend ist die Wirkung des homöopathischen Medikaments. Potenzen über D30 oder C30 werden als Hochpotenzen bezeichnet. Diese
werden von den Homöopathen vor allem zur Behandlung von chronischen Leiden eingesetzt.
Die homöopathischen Mittel werden vor allem in Form von Kügelchen (Globuli), Tropfen, Tabletten und Salben abgegeben. Manche Ärzte verabreichen homöopathische Arzneimittel auch mittels einer
Spritze. Bevor man ein neues homöopathisches Medikament zur Behandlung von Kranken einsetzt, wird es ausschliesslich an gesunden Testpersonen ausprobiert (Arzneimittelprüfung am Gesunden). Diese
schreiben auf, welche körperlichen und psychischen Veränderungen nach der Einnahme des Mittels auftreten. Diese Veränderungen geben Hinweise darauf, welche Beschwerden bei kranken Menschen mit
demselben Mittel gelindert werden könnten. So wendet man beispielsweise homöopathisch verdünntes Bienengift (Apis) an, um Beschwerden zu lindern, die durch einen Bienenstich verursacht werden,
sofern es sich dabei um eine rosa gefärbte Schwellung handelt, die sich warm anfühlt und der Schmerz durch Eisauflage gelindert wird. Ein anderes einfaches Beispiel sind Mittel aus homöopathisch
verdünnten Zwiebelextrakten (Alium cepa). Diese werden bei Schnupfen abgegeben, bei dem die Augen tränen und die Nase rinnt. Bei komplexen Erkrankungen benötigt der Homöopath viel Erfahrung, um
das richtige Mittel herauszufinden.
Die in der Homöopathie verwendeten Wirkstoffe bestehen hauptsächlich aus natürlichen Stoffen wie Pflanzen, Mineralien und tierischen Substanzen. "Klassisch", das heisst nach der Lehre Hahnemanns
arbeitende Homöopathen verabreichen ihren Patienten sogenannte "Einzelmittel". Einzelmittel bestehen aus einem einzigen Grundstoff, zum Beispiel einem Mineral, einem tierischen Stoff oder einem
Auszug aus einer Blume, wobei eine ganze Reihe von Inhaltsstoffen der Pflanze darin enthalten sind. Dass er das richtige Mittel zur Behandlung seines Patienten ausgewählt hat, erkennt der
Homöopath unter anderem an der sogenannten "Erstverschlimmerung" (Heilreaktion) der Symptome. Das heisst, dass sich die Krankheit des Patienten in der Anfangsphase der Behandlung verschlechtern
kann. Solche Erstverschlimmerungen sind meistens umso heftiger, je höher die Potenz des verabreichten Mittels ist, also umso stärker die Verdünnung ist. Nach Verschwinden der Erstverschlimmerung
kann sich innerhalb weniger Tage eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes einstellen.
Mischpräparate aus verschiedenen Einzelmitteln werden vorwiegend in der Behandlung von akuten Krankheiten wie Grippe, Schnupfen oder Verdauungsbeschwerden eingesetzt. Sie eignen sich sehr gut für
die Selbstmedikation. Viele klassische Homöopathen lehnen die Gabe von Mischpräparaten jedoch ab.
Damit die homöopathischen Heilmittel ihre optimale Wirksamkeit entfalten, sollte man bei der Einnahme gewisse Regeln beachten, zum Beispiel:
Vor jeder homöopathischen Behandlung muss das individuelle Krankheitsbild in einem ausführlichen und langen Gespräch genau erfasst werden. Im Erstgespräch beschreibt der Patient seine Beschwerden
so detailliert wie möglich, damit der Homöopath vom Krankheitsbild auf entsprechende homöopathische Mittel schliessen kann. Bei Kopfschmerzen zum Beispiel wird unterschieden, ob die Schmerzen als
pochend, ziehend oder stechend verspürt werden, ob die Schmerzen eher an der frischen Luft oder in geschlossenen Räumen abklingen oder ob der Patient das Bedürfnis hat, sich zur Linderung der
Beschwerden hinzulegen. Je nach Schmerzempfinden sucht der Homöopath ein geeignetes Mittel aus. Weitere Informationen über die Person des Patienten helfen ihm dabei. Er fragt deshalb nach
Neigungen, Interessen, Charakter des Patienten und nach seinen Reaktionen auf Umweltreize. Auch körperliche Merkmale wie Grösse, Gewicht und Konstitution beachtet er bei seiner
Beurteilung.
Der Homöopath schlägt nach dem Erstgespräch die wichtigen Symptome in einem sogenannten "Repertorium" nach. Dieses Nachschlagen wird deshalb als "Repertorisation" bezeichnet. Je nach Art der
Beschwerden wird in der Repertorisation mehr Gewicht auf die körperlichen Beschwerden oder auf die Persönlichkeit des Patienten gelegt. Man verabreicht in der klassischen Homöopathie nicht bei
jedem Patienten mit gleichen Beschwerden die gleichen Mittel. Je nach Typ des Betroffenen wird die Behandlung entsprechend angepasst. Aus diesem Grund kommt dem Erstgespräch eine entscheidende
Rolle zu. Im Gegensatz zu den chronischen Beschwerden ist es bei akuten Erkrankungen meist viel einfacher, das richtige Mittel zu finden.
Die Wirksamkeit der homöopathischen Mittel wurde von Hahnemann damit erklärt, dass nicht die Konzentration entscheidend ist, sondern die "Dynamisation" beziehungsweise die Kraftfreisetzung der Substanzen. Dies geschieht bei der Potenzierung: Durch das mehrfache Schütteln sollen die Informationen der Grundstoffe auf die Verdünnungsmittel übergehen, auch wenn materiell oder chemisch keine Grundsubstanzen mehr nachgewiesen werden können. Durch die Wirkung der verdünnten Grundstoffe soll der Körper in die Lage versetzt werden, seine Krankheit mit eigenen Kräften zu heilen. Inzwischen setzen zunehmend viele schulmedizinisch ausgebildete Ärzte die Homöopathie zur Behandlung verschiedener Krankheiten ein, zum Beispiel bei:
Heute stehen ungefähr 2500 homöopathische Einzelmittel und Mischpräparate zur Verfügung, die bei sehr vielen Krankheiten eingesetzt werden. Ein nötiger chirurgischer Eingriff oder die Zufuhr von
lebenswichtigen Substanzen kann jedoch nicht durch eine homöopathische Therapie ersetzt werden. Deshalb werden homöopathische Mittel bei der Behandlung von ernsten, akuten Erkrankungen nur als
begleitende Therapie eingesetzt, zum Beispiel bei:
- schweren Infektionen
- Krebserkrankungen
- Knochenbrüchen
- Stoffwechselkrankheiten (zum Beispiel Diabetes)